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Im Spiegelsaal / Liv Strömquist ; Übersetzung aus dem Schwedischen: Katharina Erben. – Berlin : avant-verlag, 2021. (978-3-96445-062-3)

Das neuste Werk der aus Schweden stammenden feministischen Comiczeichnerin befasst sich mit dem weiblichen Schönheitsideal – woher es kommt und wieso es so schwer ist, sich den Selbstoptimierungsmechanismen unserer Gesellschaft zu entziehen. Bereits in früheren Werken («Der Ursprung der Welt», «Der Ursprung der Liebe», «I’m every woman») forschte sie auf den Spuren des Männlichen und des Weiblichen und deren Beziehung zueinander.

In der aktuellen, in fünf Essays gegliederten Graphic Novel nimmt sie uns mit auf eine Reise durch 2’000 Jahre Kulturgeschichte und zitiert bekannte Philosoph*innen, Historiker*innen oder Soziolog*innen als Kronzeug*innen für ihre Thesen. Angefangen mit dem Philosophen René Girard und seiner mimetischen Theorie: Der Mensch begehrt, was andere begehren. Deshalb machen wir auch jede noch so fragwürdige Mode mit. Die Historikerin Stephanie Coontz wird mit ihrer «Geschichte der Ehe» erwähnt: Während in der frühen Versorgungsgemeinschaft Sexyness eine untergeordnete Rolle spielte, wurde sie nach der sexuellen Revolution entscheidend auf dem freien Liebesmarkt. Heute lautet der Standard: «Man muss sexy sein, auch wenn man gar nicht nach Liebe sucht, weil ‹Sexyness› zu einem eigenen Wert geworden ist, der den eigenen Status signalisiert.»

Dabei schlägt Liv Strömquist immer wieder den Bogen von den Denkerinnen und Denkern aus der Prä-Instagram-Ära in die heutige Zeit zu Social-Media-Promis wie Kim Kardashian oder Kylie Jenner. Sie tut dies in ihrem gewohnt derben Comicstil, klug und ziemlich respektlos. Sie verzichtet dabei auch nicht auf unbequeme Sätze wie «Kim Kardashian hat sich die Fähigkeit angewöhnt, sich selbst mit dem gleichen geilen Blick zu betrachten wie ein Lustmolch.» Das Positive daran? Strömquist sieht Selfies auch als eine Art Selbstermächtigung. So könnten Frauen heute selbst über ihre Bilder entscheiden und nicht – wie z.B. im Falle Marylin Monroes in den 50er-Jahren – ein männlicher Fotograf.

Auch Einblicke in das Leben von Kaiserin Sissi findet man, welche bis ins hohe Alter unter dem Druck litt, schön und sexy sein zu müssen. Weiteres Anschauungsmaterial liefern historische Personen oder Märchenfiguren: Schneewittchens (Stief-)Mutter, Nofretete oder Rachel und Lea aus dem ersten Buch Mose.

«Im Spiegelsaal» kommt leiser daher als andere Werke der Zeichnerin. In nachdenklichen Interviews zeichnet sie Bilder älterer Frauen, deren Leben sich verändert, weil ihre Schönheit verblasst – oder weil sie nicht mehr das Gefühl haben, dem Ideal entsprechen zu müssen. Strömquist hat die Auftritte dieser Frauen mit märchenhaften Attributen versehen – sie hat sie als Königinnen inszeniert.

Die Lektüre verspricht keine neuen Erkenntnisse und Strömquist versucht auch bewusst, keine Antworten zu geben. Sie zeigt und analysiert lediglich verschiedene Seiten. «Und dann sollen die Leute selber nachdenken und überlegen, was wir tun können – was jetzt der nächste Schritt ist.»

Dorothea Natau, Bibliothek Speicher Trogen

 

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