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Fabelhafte Rebellen : die frühen Romantiker und die Erfindung des Ich / Andrea Wulf ; aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn. – München : C. Bertelsmann, 2022. (978-3-570-10395-1)
Erhältlich auch als Hörbuch unter www.dibiost.ch

Die letzten Jahre des 18. Jahrhunderts wurden von der Französische Revolution geprägt. Ein starker Wind von Freiheit und neuem Denken ist über Europa geweht. Heute ist es nicht einfach zu verstehen, was für eine spannende Zeit das war. Neue Ideen über Freiheit, Natur und Philosophie faszinierten die Menschen und regten sie zum Denken und Diskutieren an.

Denker und Schriftsteller unter sich

Und dieses Denken und Diskutieren über neue politische und philosophische Ideen wurde in Jena im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach mehr als in anderen Orten in Deutschland toleriert. Einige der wichtigsten Denkerinnen, Denker, Schriftstellerinnen und Schriftsteller hatten für etliche Jahre da eine Atmosphäre gefunden, die sie inspirierte und ihre Lebenswerke bereicherte. Goethe, Schiller, Fichte, Novalis, Schlegel, Schelling, Hegel, von Humboldt, Caroline Schlegel-Schelling und Dorothea Veit-Schlegel haben sich gegenseitig beeinflusst, sich geliebt, gestritten und manchmal auch gehasst. Die Hauptthemen ihrer Diskussionen waren die kreative Macht des «Ich», die Beziehung zwischen Mensch und Natur, die Bedeutung von Freiheit und die Wichtigkeit von Kunst und Wissenschaft.

Die Frauen hinter den Männern

Wulf gibt in ihrem Buch auch Raum für die Frauen in diesen Freundeskreisen. Frauen wie Caroline Schlegel und Dorothea Veit, die selbst intellektuelle Kräfte innerhalb der Zirkel waren und doch sehr wenig Anerkennung für ihre Arbeit bekommen haben. Ohne Caroline Schlegel und Dorothea Veit hätten die Männer niemals ihre Erfolge feiern können. So war es beispielsweise Caroline Schlegel, welche die Theaterstücke von Shakespeare ins Deutsche übersetzte. Veröffentlicht wurden sie jedoch unter dem Namen ihres damaligen Ehemannes. Dorothea Veit schrieb unzählige Texte und auch diese wurden unter dem Namen ihres Ehemannes veröffentlicht.

Deshalb habe ich dieses Buch gelesen und was es bei mir auslöst

Eigentlich aus zwei Gründen. Der Buchtitel hat mich fasziniert und ich liebe Geschichte. Komplizierte philosophische Argumente sind eigentlich nicht so mein Ding, doch Wulfs Erklärungen von Fichtes These über das «Ich» waren für mich überraschend klar, verständlich und spannend. «Die einzige Gewissheit, so verkündete Fichte nun seinen Studenten war, dass die Welt vom ‹Ich› erfahren wird. Das ‹Ich› setzt ursprünglich schlechthin sein eignes Seyn [sic], und durch diesen anfänglichen Akt entstehe das ‹Nicht-Ich› – die äussere Welt, zu der die Natur, die Tiere, die anderen Menschen uns so weiter gehörten.»

Wer eine trockene Geschichte über Philosophie und Literatur erwartet, wird von diesem Buch sehr positiv überrascht sein. Wulf zeichnet das Leben dieser Legenden mit einer Leichtigkeit und macht es zugänglich für uns Menschen des 21. Jahrhunderts. Ihre Prosa fliesst wie ein fröhlicher Bach im Frühling. Sie beschreibt die Menschen hinter den verehrten «Göttern». Ihre Probleme, Schwächen, Leiden, ihren Humor und ihre Leichtigkeit gleichermassen, und wie all dies ihre Kreativität beeinflusste.

Was mich im Buch zusätzlich fasziniert, sind die Stiche und Bilder von Jena, Berlin und Weimar sowie der Protagonistinnen und Protagonisten des Buches. Interessant ist auch eine politische Karte Deutschlands und ein Stadtplan von Jena aus dieser Zeit. Das Lesen des Buches hat mich zum Denken angeregt. Was bedeutet das «Ich» heute für mich und wie beeinflusst es unsere Gesellschaft? Die Bedeutung des kreativen Umgangs mit neuen Ideen in Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft.

Antonia Brown Ulli, Dorfbibliothek Stein

 

 

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