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Broadchurch – Staffel 1 : Regie: James Strong u.a. - Berlin : Studiocanal, 2015.
8 Episoden, total 374 Minuten
Ab 12 Jahren, Grossbritannien, 2013 

„Broadchurch“ – Ein Dorf unter Verdacht

Als mir vor einem Jahr eine Kollegin die TV-Serie „Broadchurch“ empfohlen hatte, ignorierte ich diesen Tipp sträflich, da ich schlicht zu wenig Zeit hatte, in einen mehrstündigen Film einzusteigen. Im Frühsommer dieses Jahres hörte ich dann zufällig ein Musikstück, welches mich sofort in seinen Bann zog. Die Recherche ergab, dass es sich um den Soundtrack von „Broadchurch“ handelte. Jetzt wollte ich es doch wissen; also kaufte ich mir die erste Staffel dieser erfolgreichen Serie aus Grossbritannien.

Und dann geschah etwas, das man leider äusserst selten erlebt: Dieser Krimi stellte sich als überragendes filmisches Erlebnis heraus! Gefangen genommen von einer unglaublich spannenden Geschichte, gespielt von völlig überzeugenden Charakteren, gefilmt in fantastischen Bildern und untermalt von einer sphärischen Filmmusik, tauchte ich für sieben Stunden in die düstere Atmosphäre des Küsten-Städtchens Broadchurch ein.
Gleich zu Beginn wird der Zuschauer durch ein enorm starkes Motiv gefesselt: Der elfjährige Danny Latimer wird tot am Strand aufgefunden. Detective Sergeant Miller und ihr neuer Chef Inspector Hardy sollen den Fall aufklären. Schon bald werden die dunklen Geheimnisse der Dorfbewohner ans Licht gezerrt. Das gegenseitige Misstrauen wächst. Jeder scheint verdächtig und kurz darauf gerät die idyllische Ortschaft ins Visier der nationalen Berichterstattung. Unter dem Druck der Öffentlichkeit versuchen die beiden Ermittler den Mörder zu finden. Während die Uhr tickt und die Rätsel sich verdichten, können Miller und Hardy das engmaschige Beziehungsgeflecht in Broadchurch nur mühsam entwirren, bevor sie schliesslich den wahren Täter überführen.
Dass „Broadchurch“ gleich mehrere TV-Preise einheimsen konnte, überrascht nicht. Allein die formale Machart des Filmes hebt sich von den üblichen Fernseh-Produktionen ab: Enorm ästhetische Aufnahmen mit viel Tiefenschärfe verleihen dem Krimi eine Kino-Optik; dazu die schon erwähnte Filmmusik des isländischen Musikers Olafur Arnalds, welche die Stimmungen der Handlung kongenial auszudrücken vermag. Äusserst gelungen ist auch die Figurenzeichnung: Die vielseitigen Charaktere folgen nicht dem klischierten Schwarz-Weiss-Muster, sondern geben jeder Figur ihre realistischen Eigenschaften; niemand ist einfach nur böse oder gut. Besonders erwähnenswert ist zudem das Zusammenspiel der beiden Polizisten (gespielt von David Tennant und Olivia Colman), welche sich in ihrer Gegensätzlichkeit ideal ergänzen. Die Story selbst ist derart clever angelegt, dass keine Langeweile aufkommt. Immer wieder scheint sich das Blatt zu wenden und man glaubt, den Täter zu erkennen, was sich jedoch wiederholt als Trugschluss erweist. Die Identität des Mörders wurde sogar Innerhalb des Filmteams bis zum Schluss geheim gehalten. Selbst die Schauspieler und Mitarbeiter hatten Ungewissheit, wer der Täter ist: Bis zur Aufnahme der Szene, in der die Identität des Mörders bekannt wurde, wussten nur 29 Personen des ganzen Produktionsstabes, um wen es sich handelte.
Falls man sich dazu entschliessen sollte, „Broadchurch“ anzuschauen, dann erwartet einen ein unvergleichliches Filmerlebnis, das man nicht so schnell wieder vergisst, weil hier eben beides stimmt: Form und Inhalt (was selten genug der Fall ist). Dies hatte 2014 übrigens auch FOX-TV entdeckt und verfilmte die Erfolgsserie im fantasielosen Copy-Paste-Verfahren unter dem Namen „Gracepoint“ für den amerikanischen Markt. Sparen Sie sich dieses unnötigste aller Remakes und schauen Sie sich das Original an.

Gerold Ebneter, Mediathek der Kantonsschule Trogen

 

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