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Mariana Leky, Was man von hier aus sehen kann : Roman. – Köln : DuMont, 2017. (978-3-8321-9839-8). Erhältlich auch als Hörbuch und als E-Book unter: www.dibiost.ch

Immer, wenn der alten Selma im Traum ein Okapi erscheint, stirbt am nächsten Tag jemand im Dorf. Wen es treffen wird, ist allerdings unklar und das Dorf steht jeweils Kopf, wenn sich die Nachricht von Selmas Traum blitzartig verbreitet. Davon, und was die Bewohner in den folgenden Stunden fürchten, was sie blindlings wagen, gestehen oder verschwinden lassen, handelt der Roman «Was man von hier aus sehen kann» von Mariana Leky.

Glück und Trauer

Der Optiker zum Beispiel möchte Selma endlich noch rasch seine jahrelange, heimliche Liebe zu ihr eingestehen. Und der Bauer Häubel legt sich nach einem langen, erfüllten Leben aufgeregt ins Bett und wartet freudig und ungeduldig wie ein Geburtstagskind darauf, dass der Tod endlich bei ihm anklopft. Das Schicksal schlägt aber unerwartet zu, erschüttert das gesamte Dorf, das von Schmerz und Trauer ergriffen wird. Luise, die Enkelin von Selma, fällt in eine Art Dornröschenschlaf und Selma trägt sie deshalb drei Tage lang auf den Armen, auf den Schultern, ohne sie je abzusetzen.

Stimmt es eigentlich, dass etwas verschwinden kann, wenn wir versuchen, es zu sehen, es aber nicht verschwinden kann, wenn wir nicht versuchen, es zu sehen?

Am Waldrand erscheint ein Buddhist und wird Teil der von Magie und Aberglaube durchzogenen Dorfgemeinschaft. Wir begegnen wundersamen, kuriosen Menschen, die alle ein bescheidenes Glück leben, und die – alle auf ihre Art – Anteil nehmen an Gefühlen, Glück und Schmerz der anderen.

Feingestrickte Geschichte

Die feingestrickte Geschichte, verknüpft mit liebevollen, teils skurrilen Motiven, ist in einem zauberhaften Stil geschrieben. Sie hat mich von Anfang an fasziniert, weil sie in einer Sprache geschrieben ist, die ich so noch nie gelesen habe. Es schwingt ein Sound mit, der uns nicht mehr loslässt und der uns bis zum Ende der Geschichte begleitet. Eine schöne Lektüre, die Essenzielles behandelt – Liebe, Tod, Freiheit – und die fühlen lässt, was Geborgenheit bedeutet.

Wer wissen möchte, weshalb einige Leserinnen und Leser der mit einer Piemontkirsche gefüllten Praline «Mon Chérie» seither besonders zugetan sind: Lesen! Und wer nicht lesen mag, dem erzählt die grandiose Schauspielerin Sandra Hüller im genau richten Ton die ungekürzte Geschichte auf dem gleichnamigen Hörbuch.

Ursi Lendenmann, BiblioGais

 

 

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