Unsere monatlichen Tipps aus den Lokalzeitungen zum Nachlesen
Jonuleit Anja. Das Wasser so kalt. - Köln : Emons Verlag, 2007. (Bodensee Krimi, Bd 1.)
(ISBN-10:3-89705-434-5)
Die Autorin und der Kommissar
Anja Jonuleit, 1965 in Bonn geboren, ist Übersetzerin und Dolmetscherin, arbeitete in New York, Bonn, Rom, Damaskus und München. Sie ist Mutter von vier Kindern und lebt seit 1994 selber am Bodensee.
Mit ihrem Krimi vom Bodensee hat sie eine glückliche Hand bewiesen. Obwohl der Leser schon von Anfang an sozusagen den Mörder kennenlernt, wird die Spannung doch durchs ganze Buch aufrechterhalten und man wird immer wieder auf falsche Fährten gelockt. Und der Herr Kommissar Sommerkorn braucht sich vor seinen Kollegen Brunetti, Wallander, Hunkeler und wie sie alle heissen, nicht zu verstecken. Auch er hat seine Eigenheiten, seine liebe Mühe mit dem Alleinleben und ist einem guten Gläschen nicht abgeneigt.
Der Winter am Bodensee
"Am Ufer angelangt, war sie einmal mehr überwältigt von dem Geheimnis, das der See in den stilleren Monaten immer noch barg, besonders an Abenden wie diesem, wenn der Föhn von einem leuchtend rosa Himmel dunkle Wolken aufbaute, sie vor sich hertrieb, zerriss und wieder zusammenfügte." Marie Glücklich heisst die Hauptfigur, aber dass Nomen nicht immer Omen ist, das zumindest weiss sie sicher. Frisch verlassen, stellen- und mittellos, kehrt sie aus München in ihre schwäbische Heimat zurück. Mit einem Dutzend Kisten, ein paar Möbeln und ihren Bildern bezieht sie das heruntergekommene Haus am Bodensee, wo sie einen Teil ihrer Kindheit verbracht hatte.
Nachts plagen sie Alpträume von ihrem treulosen Freund und dessen neuer Frau, tagsüber ist sie auf der Suche nach einem Job, unterstützt von einer ehemaligen Schulkollegin. Diese vermittelt ihr dann eine Teilzeitarbeit beim Institut für Demoskopie in Allenspach. Sie soll sich als Alleinstehende in eine Kontaktbörse im Internet einklicken und dort ein Inserat aufgeben. Langsam tastet sie sich an das Leben als "Single" heran, auch greift sie wieder zum Pinsel, um die winterliche Stimmung am See festzuhalten. Sie macht sich auch an die Renovation des alten Hauses und findet viel Befriedigung bei langen Märschen in der Umgebung. Aber was hat das alles mit der Leiche einer jungen Frau zu tun, die nicht weit vom Haus entfernt am Ufer des Bodensees gefunden wird? Auf diesen Fall ist der Kommissar Sommerkorn angesetzt, Bruder von Maries Freundin und ein ehemaliger Verehrer von Marie aus der Schulzeit. Was wäre auch ein Krimi, wenn es nicht zwischen den Beteiligten noch etwas knistern würde?
Dass die ganze Geschichte am Bodensee, sozusagen in unserer Nachbarschaft, spielt, macht die Sache für uns Leser aus der Ostschweiz irgendwie sympathisch. Zusammen mit Marie erleben wir die wechselnden Stimmungen am winterlichen See, bangen um ihre Sicherheit, wenn sie anonyme Anrufe erhält und bedroht wird und hoffen, dass sie bei ihren Treffen mit den Internet-Bekanntschaften nicht enttäuscht wird.
Wie meistens in Krimis, steht die Polizei am Anfang vor einer schweren Aufgabe, als Anhaltspunkte gibt es ein paar Gedichte über den Tod, die in der Wohnung des Opfers gefunden werden. Und ein Obdachloser steuert einen nicht unwesentlichen Teil zur Lösung bei, auch der Computer, respektive die Könner, die ihn bedienen, helfen kräftig mit und selbstverständlich ist auch Kommissar Zufall mit von der Partie. So geht auch diese Geschichte gut aus, sofern man nach zwei Morden von einem guten Ausgang sprechen kann!
Trudi Bänziger, Bibliothek Rehetobel
Hamilton, Hugo. Der Matrose im Schrank. - München : Knaus Verlag, 2006.
(ISBN 13: 978-3-8135-0239-8)
„Angeblich kommt man unschuldig auf die Welt, aber das stimmt nicht. Man erbt seine Identität, seine Vergangenheit. Wir haben unsere irische Vergangenheit und unsere deutsche Vergangenheit, wir tragen beides in uns wie eine Erbsünde. Wir schauen von Geburt an zurück, aber meine Mutter sagt, nun müssten wir in die Zukunft schauen. Man müsse sich die eigene Unschuld erst verdienen, sagt sie. Man müsse erwachsen werden, um unschuldig zu sein“.
Irland in den 60er-Jahren
Ein Sommer in einem Hafenstädtchen südlich von Dublin. Hugos Vater ist ein nationalistischer Ire, der seit seiner Studentenzeit einen erbitterten Kampf gegen alles Britische führt. So ist es in der Familie verboten, englisch zu reden. Für ihn ist es eine grosse Schmach, dass sein Vater im ersten Weltkrieg auf einem englischen Kriegsschiff starb. Er hält ihn für einen Verräter und verbannte das Bild des Matrosen mit den sanften Augen in den Kleiderschrank. Hugo hat grosse Sympathie für seinen Grossvater und möchte ihn aus dem Kasten befreien. Hugos Mutter floh als junge Frau aus dem kriegszerstörten Deutschland. Abge-schottet von der Umwelt wachsen die Kinder in den deutsch-irischen Erinnerungen der Eltern auf.
Doch in diesem Sommer will er den Erinnerungen entkommen; entkommen Vaters starren Regeln und Prügeln und den Geschichten über die Gräueltaten der Nazis. Es ist die Zeit des Abschieds von Vergan-genheit, von Krieg und Flaggen, von Schande – Abschied von der wunden Seele. Er will die Unschuld verdienen. Auf seine Weise widersetzt er sich dem Vater. Wenn er allein zuhause ist, hört er sich Beatles-Platten an oder er führt am Tisch Selbstgespräche in Englisch. Hugo findet Arbeit beim alten, eigensinni-gen Fischer Dan Turley. Der Hafen wird mehr und mehr sein Zuhause. Er befreundet sich mit dem coolen Aussenseiter Packer. Mit ihm fährt er auf die andere Seite des Landes, zu den Aran-Inseln. Zum ersten Mal fühlt er sich frei. Er kann sich an der Schönheit des Landes erfreuen, ohne es zu müssen. Er lernt sich und seine Geschichte zu akzeptieren.
Der Autor Hugo Hamilton
ist in Dublin 1953 als Sohn irisch-deutscher Eltern geboren. Er arbeitete als Journalist, bevor er mit Schreiben von Kurzgeschichten und Romanen begann. Bisher sind sechs Romane erschienen, wovon vier in deutscher Übersetzung von Henning Ahrens. In seinem mit vielen Preisen bedachten Bestseller „Ge-scheckte Menschen“ erzählt er von seinen Kindheitserinnerungen. Im vorliegenden „Der Matrose im Schrank“ schildert er in eindrücklichen Bildern das schwierige Erwachsenwerden. Es ist die Geschichte von Liebe und Hass zwischen Vater und Sohn, von Sehnsucht nach Heimat und eigener Identität. Mir gefällt das meisterhafte Erzählen - unsentimental und versöhnlich.
Elisabeth Siller, Bibliothek Herisau
Baudoin, Edmond. Die Reise. - Zürich : Edition Moderne, 1998.
(ISBN 3-907055-24-1)
Obwohl sich der 65-jährige Edmond Baudoin in Frankreich vom ewigen Geheimtipp zum Vorbild vieler französischer Comic-Zeichner entwickelt hat, wurde von ihm bis jetzt bedauerlicherweise nur Die Reise in die deutsche Sprache übersetzt. Dabei wäre sein Werk eine Fundgrube für alle am Autorencomic interessierten Comicfans.
Baudoin wuchs in einem abgelegenen französischen Dorf der Nachkriegszeit auf. Schon in seiner Kindheit zeichnete er zusammen mit seinem Bruder Piero. Diese Zeit verarbeitete er später in seinem autobiografischen Roman Piero. Da seine Eltern nur Pieros Studium an einer Kunsthochschule bezahlen konnten, wandte sich Edmond einem bürgerlichen Beruf zu. Er arbeitete sich in einem Unternehmen bis zum Personalchef hoch. Mit 33 Jahren gab er aber alles auf, um Comics zu zeichnen. Die Reise erzählt, leicht verschlüsselt, diesen Ausstieg.
Simon ist Mitte dreissig. Mit seiner Frau und seiner Tochter bewohnt er eine hübsche Wohnung in Paris. Beruflich hat er es recht weit gebracht. Und doch verlässt er eines Tages dieses wohlbehütete Leben. Er wird von bedrohlichen Bildern verfolgt, die sein Leben in den Grundfesten erschüttern. Um Simons Verletzlichkeit zu unterstreichen, greift Baudoin zu einem visuellen Trick. Er zeichnet Simon mit offener Schädeldecke, sodass die Bilder ungefiltert und mit ganzer Kraft in seinen Kopf eindringen können. Gespräche mit einer jungen lebensmüden Frau und einem alten Stadtstreicher verstärken Simons Wunsch, aus der Enge seines Lebens auszubrechen. Er flüchtet zum Bahnhof und besteigt den erstbesten Zug nach Süden. Schon bald merkt man, dass er sich nicht nur auf eine geografische, sondern auch auf eine innere Reise begibt. Er lässt sich treiben und entdeckt weit weg von der alltäglichen Normalität die kleinen Freuden des Lebens. Er trifft einen Puppenspieler und begleitet ihn auf seiner Tournee durch die Dörfer. Dabei lernt er Lea kennen und verliebt sich in sie. Dank ihrer Liebe gelingt es ihm, auf einer einsamen halsbrecherischen Bergtour wieder zu sich selbst zu finden. Danach beschliesst er, nach Paris zurückzukehren.
Baudoin zeichnete diesen Roman ursprünglich für den japanischen Verlag Kodansha. Daher kommt das für uns Europäer noch ungewöhnliche Format, das dem der Mangas angeglichen ist. Wie die japanischen Kalligraphen beherrscht Baudoin den Pinsel meisterlich. Manchmal fast roh, dann wieder äusserst zärtlich bringt er die ganze Palette menschlicher Gefühle zu Blatt. Weit weg vom Mainstream erzählt er leise unspektakuläre Geschichten von Freuden und Leiden der Menschen. Zu dieser Unaufgeregtheit passt, dass die Bilder fast immer in Schwarzweiss gehalten sind. Er arbeitet schnell, spontan und ohne Vorskizzen, was die Lebendigkeit seiner Bilder steigert. Diese Arbeitsweise kam ihm auch entgegen, als er während des Comic-Festivals Luzern 2005 Artist in Residence im Hotel Schweizerhof war und Tag für Tag seine Beobachtungen mit Pinsel und Tusche zu Papier brachte.
Kurt Sallmann, Appenzeller Bibliobahn
Glattauer, Daniel. Gut gegen Nordwind : Roman. - Wien : Deuticke Verlag, 2006.
(ISBN 978-3-552-06041-8)
Ein Buchstabe, ein einziger Buchstabe ist jeweils entscheidend. Am Anfang ist es ein E und am Ende ein I: „Lieber Herr Leike, das ist mir jetzt wirklich überaus peinlich. Ich habe leider einen chronischen „Ei“-Fehler, also eigentlich einen „E“ vor „I“-Fehler. Wenn ich schnell schreibe, und es soll ein „I“ folgen, rutscht mir immer wieder ein „E“ hinein. Es ist so, dass sich da meine beiden Mittelfingerkuppen auf der Tastatur bekriegen. Die linke will immer schneller als die rechte sein. Ich bin nämlich eine gebürtige Linkshänderin, die in der Schule auf rechts umgepolt wurde…“ Mit diesen Worten erklärt Emmi Rothner Leo Leike den Verschreiber in der E-Mail-Adresszeile, der sie, da die falsche Adresse nach erstmaliger Benutzung gespeichert war, fünfmal unfreiwillig in der fremden Mailbox landen liess.
Wiedererkennungsmoment
Es entsteht ein E-Mailwechsel, wie er auf die Schnelle entstehen kann: spontan, witzig, neckisch, ein kleiner schriftlicher Flirt, persönlich, offen, ein Austausch, der zum Schmunzeln verleitet und anschliessend in den Tiefen der Mailbox verschwindet – in der Regel wenigstens. In Daniel Glattauers Roman ist dies nicht der Fall: Der E-Mailwechsel geht weiter. Dem Autor gelingt es, auf 223 Seiten eine Geschichte zu erzählen, die aus ganz wenigem besteht: aus Schuhgrösse 37, aus einem Sprachpsychologen mit einer Schwester, aus Marlene, Mia und aus Bernhard. Die Neugierde am anonymen Gegenüber hält die Spannung aufrecht – das Interesse der beiden aneinander wird von Seite zu Seite gesteigert und findet sich unvermittelt in Sätzen wie: „Leo, ich hab Sie sehr, sehr gern.“ Eine Liebesgeschichte.
E-Mail-Roman
Nicht nur der Stoff, auch das Genre ist altbekannt. Der Briefroman erlebte im 18. Jahrhundert eine Blütezeit (Rousseau, Nouvelle Héloise; Goethe, Werther). Wie im Briefroman weiss der Leser auch im E-Mail-Roman nicht mehr als die erzählenden Personen und erfährt von diesen in abwechselnder Perspektive die Handlung. Im Unterschied zum Briefroman hat der E-Mail-Roman etwas Neues und Faszinierendes: Der Faktor Zeit kann effektvoller eingesetzt werden. Und genau dies macht eine der Stärken des Romans aus: Kurze E-Mails im Abstand von wenigen Sekunden und Minuten geben eine gesprächsähnliche Situation wieder, während eine Nicht-Antwort nach Tagen und dreimaligem Nachfragen zum offensichtlich entrüsteten „Arschloch!“ führen kann. Die Betreffzeile bleibt oft leer; Leos E-Mail-Programm generiert bei einer Antwort automatisch ein AW, während Emmis E-Mail-Programm ein RE erzeugt. Wird die Betreffzeile genutzt, so steht „Offene Fragen“, „Prost“, „Endlich gesendet“ oder „Verrat“.
Kommunikationskunst
„Schreiben Sie mir, Emmi. Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf.“ – Treffender und für unsere Zeit symptomatischer könnte es nicht gesagt werden. Im Zeitalter der individuellen Reisen im Netz hat die Schriftlichkeit als Medium des neutralen Ausdrucks ohne soviel von sich preisgeben zu müssen, dass man „ertappt“ wird, eine besondere Bedeutung erlangt. Die Hemmschwelle, sich konkret und sehr persönlich auszudrücken, ist niedrig. Es ist nicht die Stimme, nicht die Mimik und Gestik, nicht die Augenfarbe, die Haarfarbe oder das Outfit, nicht einmal das Alter, das vom Gegenüber wahrgenommen werden kann. Der Austausch bleibt auf die Ebene von Buchstaben, Wörtern und Sätzen beschränkt, und die Person, die dahinter steckt, kann, so sie es will, ihre Anonymität wahren. Sie muss auch nicht sofort reagieren, wie dies in einer realen Gesprächssituation der Fall ist, – und vor allem muss sie kein Augenzwinkern, kein herzerfrischendes Lachen, keinen teilnahmslosen Blick oder keinen Geruch, der vielleicht sehr oder überhaupt nicht behagt, richtig einordnen und in die Kommunikationssituation miteinbeziehen. Es ist also nur das geschriebene Wort, das die Neugierde am jeweils anderen weckt, eine einzige Dimension im Kommunikationsgeflecht, und diese eine Dimension bringt es fertig, Leidenschaft zu entfachen. „Das ist Kommunikationskunst auf höchstem Niveau“, steht auf dem hinteren Umschlagdeckel. Diese Aussage ist in jeder Hinsicht zu unterstreichen.
Heidi Eisenhut, Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, Trogen
Flannery, Tim Fridtjof. Wir Wettermacher : wie die Menschen das Klima verändern und was das für unser Leben auf der Erde bedeutet. - Frankfurt a. M. : S. Fischer Verlag, 2006.
(ISBN 978-3-10-021109-5)
Die jüngsten Wetterkapriolen in der Schweiz und im Ausland zeigen deutlich, dass die „Klimaveränderung“ nicht länger mehr nur ein Hirngespinst einiger Wissenschaftler, Umweltschützer oder Pessimisten sein kann.
Tim Flannery, selbst Zoologe und Wissenschaftler in Australien, entdeckte erste Zeichen schleichender Veränderungen in seinem eigenen Erdteil. Dadurch sensibilisiert, begann er wissenschaftliche Forschungsergebnisse, eigene Beobachtungen und handfeste Beweise zusammenzutragen und zu vernetzen.
In seinem Buch beschreibt er in klarer, verständlicher Sprache das komplexe System unserer Erde mit der dazugehörenden Atmosphäre und deren gegenseitiger Zusammenhänge und Abhängigkeiten. Seine Erkenntnisse beruhen auf sorgfältigen, weltweiten Recherchen, einleuchtenden Begründungen sowie untrüglichen Tatsachen und Beweisen.
Er stellte fest, dass das CO2, als häufigstes Treibhausgas, mit Sicherheit eine globale Erwärmung bewirkt, da es ca. 180 Jahre in der Atmosphäre bleibt und von dort nicht entfernt werden kann. 80% der Treibhausgase entstehen durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe. Durch das weltweite Bevölkerungswachstum werden diese Gase noch markant zunehmen.
In eindrücklicher Weise erfahren die Leser, dass die Klimaerwärmung aber nur der Auslöser einer gigantischen Kettenreaktion von Ereignissen ist, die in der ganzen Welt unterschiedlich spürbar sind oder noch werden. Aus den Beispielen mit fatalen Folgen für die Menschen sollen hier nur einige genannt sein: Die Abschmelzung des Eises an den Polen führt längerfristig zur Verlangsamung oder gar zum Versiegen des Golfstroms, die Veränderung der Niederschlagsmengen ist in Australien und Amerika als zunehmende Süsswasserknappheit zu spüren, die Austrocknung der Regenwälder im Amazonasgebiet bedrohen die Existenz von Mensch und Tier dieser Gegenden. Nur der minime Anstieg der Nebelgrenze im Regenwald von Costa Rica bewirkte bereits das Aussterben der Goldkröte.
Tim Flannery möchte mit seinem Buch aber nicht Angst und Schrecken verbreiten, sondern die Menschheit aufrütteln, den Tatsachen ins Auge zu blicken und vor allem zu handeln! Nach seinen Berechnungen müssten 70% der CO2 – Emissionen abgebaut werden, um bis ins Jahr 2050 das Klima auf der Erde wieder auszugleichen.
Er zeigt Möglichkeiten und Lösungswege auf, wie mit erneuerbaren Energien, z.B. Solarstrom oder mit Gas, Wasserstoff usw. an Stelle von Benzin und weiteren Anstrengungen dieses hoch gesteckte Ziel, ohne wirtschaftliche Folgen, durchaus erreichbar wäre. Natürlich müssten vor allem die Staatschefs, Politiker sowie die Verantwortlichen der Öl- und Kohleindustrie die Situation ernst nehmen und dazu beitragen, unseren Nachkommen eine lebenswerte Erde zu erhalten!
Irene Graber, Annamaria Furrer, Jakob Preisig, Bibliothek Grub
Löhr, Robert. Das Erlkönig-Manöver : historischer Roman. - München, Zürich : Piper, 2007.
(ISBN 978-3-492-04929-0)
Der Herr Geheimrat in geheimer Mission
"Dann, mein Freund, ich bitte dich mit aller Hingabe, die ich aufbringen kann: Bekämpfe diesen Feind! Geh nach Mainz und rette den wahren König von Frankreich." So lautet Herzog Carl Augusts Order an Goethe, der lädiert und verkatert vom nächtlichen Saufgelage mit Freund Schiller, den Auftrag zur Befreiung des Dauphins entgegennimmt. Wir schreiben das Jahr 1805. Napoleons Truppen sind in Deutschland eingefallen, halten Köln und Mainz besetzt. In Deutschland regt sich Widerstand. Lange nicht alle freuen sich über die Segnungen der Revolution, fürchten die Neufranken.
Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich von Schiller und der Naturwissenschafter Alexander von Humboldt machen sich auf nach Frankfurt. Dort schliessen sich ihnen Achim von Arnim und seine Verlobte Bettine von Brentano an. Auch Heinrich von Kleist stösst dazu. Und diese kleine verschworene Truppe nimmt es mit Napoleons Soldaten auf. Erst geht es durch den Hunsrück nach Mainz, wo sie den Dauphin seinen Bewachern abtrotzen. Gemeinsam flüchten sie in den Spessart, dann zum Kyffhäuser. Zurück nach Weimar. Wieder in den Thüringerwald. Soviel zum Inhalt. In fulminanten Bildern hetzt der Autor seine Helden durch die Historie. Wilde Abenteuer, waghalsige Scharmützel, eine Wildschweinjagd, Liebe, Verrat und Mord - die Staffage eines Trivialromans!
Alles erstunken und erlogen?
Keine Quelle belegt diese irrwitzige Befreiungstat. Louis-Charles de Bourbon, Kronprinz und nach der Hinrichtung seiner Eltern, Ludwig XVI. und Marie Antoinette, Thronerbe, starb im Alter von 10 Jahren im Temple-Gefängnis in Paris. Allerdings behauptete seinerzeit ein Uhrmacher mit Namen Karl Friedrich Naundorff, er wäre Ludwig XVII. Und auch um Sophie Botta ranken sich wilde Gerüchte.
Crashkurs durch Büchmanns Zitatenschatz
Allein das Personal dieser Story liest sich wie ein Lehrbuch der deutschen Literaturgeschichte. Maliziös geht der Autor auch mit der Sprache um. Goethe, Schiller und Kleist parlieren, zanken, deklamieren im Diktum ihrer Protagonisten – vor allem ihrer dramatischen Werke. Das Werk strotzt von Zitaten aus Wilhelm Tell, Kabale und Liebe, Wallenstein, Die Räuber, Die Jungfrau von Orleans, Die Verschwörung des Fiesco zu Genua, Demetrius, Faust I und II, Ighigenie auf Tauris, Clavigo, Der Bürgergeneral, Wilhelm Meister, Egmont, Der Prinz von Homburg, Die Hermannsschlacht, Penthesilea, Das Käthchen von Heilbronn, etc., etc. Gleich zu Beginn des Romans zum Beispiel Kleists erste Begegnung mit Goethe: "Hochwohlgeborener Herr von Goethe, ich begegne Ihnen gewissermassen auf den Knien meines Herzens…" Sozusagen wortwörtlich aus Kleists erstem Brief an Goethe vom 24. Januar 1808. Oder das Maleur mit Kleists Manuskript Der zerbrochene Krug. In der Tat fehlt heute eine Lage im Original. Zur Kostprobe zwei weitere bekannte Zitate: "Heinrich, mir grauts vor dir" (Faust I, Kerker) hier Goethe zu Kleist, oder "Der Knabe Karl fängt an, mir fürchterlich zu werden" (Don Carlos, I,6) hier Schiller über den Dauphin. Die Anspielungen sind nicht penetrant, im Gegenteil, sie geben der Geschichte einen Hauch Authentizität. Dem Literaturliebhaber und Theatergänger bereitet das Entdecken der Originalzitate ein zusätzliches Vergnügen. Und wem es nicht gelingt, hat trotzdem Spass an der Lektüre.
Robert Löhr, geboren 1973 in Berlin, ist Schriftsteller, Drehbuchautor, Regisseur, Schauspieler und Puppenspieler und debütierte 2005 mit dem Roman "Der Schachautomat". Ein Roman, der ebenfalls Beachtung fand. Mit diesem neuen Buch ist ihm etwas Besonderes gelungen. Weimars Dichterfürsten erwachen zu neuem Leben, rabauken und greifen in den Gang der Weltgeschichte ein. Fiktion? Jedenfalls hat der Autor mit viel Witz, Wissen und unglaublicher Akribie Recherchen betrieben und sie zu einer amüsanten Dichtung verwoben. Wage ich einen Vergleich zu Ecos Der Name der Rose?
Doris Ueberschlag, Innerrhodische Kantonsbibliothek Appenzell
Groothuis, Rainer. Wie kommen die Bücher auf die Erde? : über Verleger und Autoren, Hersteller, Verkäufer und Gestalter, die Kalkulation und den Ladenpreis, das schöne Buch und Artverwandtes ; nebst einer kleinen Warenkunde. 3., durchges. Aufl. - Köln : DuMont, 2002.
(ISBN 3-8321-3164-7)
Möchten Sie wissen, warum gewisse Bücher mit beiden Händen offen gehalten werden müssen, sofort wieder zuschnappen, kaum greift man mit der einen Hand nach einem Glas oder Bleistift? Ein Hotmelt*-Brocken! Die billigste und schlech-teste Klebebindung*. Diese herstellerischen Sünden* fallen auf und ärgern uns.
Rainer Groothuis beschreibt unterhaltsam den Werdegang von ganz normalen, bezahlbaren Büchern. Die bibliophilen Prachtbände lässt er aus. Es geht hier um Qualitätskriterien, technische und vor allem auch ästhetische. Groothuis beginnt mit dem Vorgang des Lesens selbst. Zu lange Zeilen, zu kleine Schrift, zu enger Durchschuss*, unpassende Schriften* erschweren das flüssige Lesen.
Es geht um Formate, Papiersorten, Schutzumschläge, Layout, von Schmutztitel* bis Anhang* des Buchblocks*. Alles muss geplant, gestaltet und kalkuliert* werden bis das Buch schliesslich gedruckt* und gebunden* wird. Und alles sollte natürlich zum Inhalt passen!
Jetzt liegt das Buch im Laden und sollte uns mit seinem Äusseren zum Anfassen und Blättern verlocken. Ein Umschlaggrafiker hat diese meistdiskutierte Fläche gestaltet. Eine echte Herausforderung! Buchstäblich jeder gibt seinen Senf dazu. Die Wissenschaftsfraktion der Vertreterkonferenz* sagt, es ist zwingend, dass die Titelschrift auf drei Meter Entfernung durchs Schaufenster gelesen werden kann.
Als Käuferin habe ich es da sehr einfach, scheussliche Bücher kaufe ich nicht! Was aber, wenn ich diesen bestimmten Roman möchte und der Autor himself glotzt formatfüllend vom Schutzumschlag herunter! Den schmeisse ich ins Feuer und kann ganz unvoreingenommen seine Prosa geniessen. Oder ich drehe ihn mit zwei, drei Handgriffen um und habe ein wunderbar weisses Buch.
Bibliothekstauglich?
Wer in der Bibliothek Bücher repariert, lernt unheimlich viel über die Technik des Büchermachens. Neunzig Prozent der Patienten sind Kinderbücher. Die werden am stärksten genutzt. Es sind immer wieder Bücher aus den gleichen Verlagen, die geflickt werden müssen und meistens liegt es an der Bindung. Vor einem Har-ry Potter in Einzelseiten aufgelöst, sitz man ziemlich ratlos. Ich würde dem Carl-sen Verlag vorschlagen, bei der Kalkulation des nächsten Bandes eine fadenge-heftete Bibliotheksausgabe zu stiften! Aber der Verlag nutzt die Harry-Potter-Gewinne auch zur Quersubventionierung* von tollen aber schlecht verkäuflichen Büchern.
Rainer Groothuis kennt sich sehr gut in der Verlags- und Preispolitik* aus. Er gibt auch praktische Tipps, wie man schon im Laden eine Ramschklebebindung ent-larvt.
Musterbeispiele
Schauen wir ein Buch für die Kleinsten an. Ein Pappbilderbuch. Hier sind die „Seiten“ mehr als einen Millimeter dick, also auch kleine Brocken. Aber hier macht das Stabile, Dicke, Sirupfeste durchaus Sinn. Ein Buch von Nadia Budde: „Flosse, Fell und Federbett“ aus dem Peter Hammer Verlag, ein kleines Kunst-werk für Dreijährige, die noch keine fixierten Sehgewohnheiten und viel Sinn für Sprachklang und Nonsense haben. Da kann man vor dem Einschlafen mit „Hum-meln schummeln oder mit Mopsen hopsen“!
Möchten Sie zum Schluss noch zwei Romane besichtigen? Nehmen wir Brigitte Kronauers „Teufelsbrück“ (Klett-Cotta). Fünfhundert Seiten stark, Leineneinband und mit wunderschönem Schutzumschlag … geklebt gebunden! Das hat mich leicht geärgert. Und jetzt erscheint neu „Verlangen nach Musik und Gebirge“, schön ausgestattet und FADENGEHEFTET, wenn das keine deutliche Sprache ist!
Wenn wir keine grandiosen Texte hätten, was würden uns die schönsten Bücher nützen? Doch schon die Ausstattung eines Buches spricht Bände. Es lohnt sich, ein bisschen mehr darauf zu achten!
*Über die Begriffe mit * schreibt Rainer Groothuis, ein Sachwortregister fehlt, das einzige Haar in der Suppe.
Käthi Bhend, Bibliothek Oberegg
Drvenkar, Zoran. Du bist zu schnell : Roman. - Stuttgart : Klett-Cotta, 2003.
(ISBN 3-608-93623-8)
„Es muss in Sanftheit enden, das bin ihr schuldig“
Heute, morgen, hier, da und jetzt. Gegenwart und Zukunft. Im Roman du bist zu schnell von Zoran Drvenkar verschwindet die Grenze.
Marek hat ein Problem. Er fährt nach Berlin, zusammen mit seiner Freundin Val. Val hat auch ein Problem. Sie nimmt Medikamente, um ihre durch Drogen ausgelöste Psychose fern zu halten. Vor allem aber ist sie in die Fänge der Schnellen geraten. Die Schnellen haben Jenni umgebracht, eine alte Freundin von Val, deren Leiche im Kofferraum ihres Auto ist. Jenni lag vor kurzem noch im Badezimmer von Val. Auf dem Spiegel stand: „Wo bist du gewesen?“. Val weiss es nicht. Sie weiss nur, dass es die Schnellen waren. Die Welt der Schnellen ist anders als die Welt, in der wir leben. Sie ist vollkommen. Die Schnellen wollen nicht, dass man ihre Welt betritt. Sie haben Val schon einmal gewarnt, scheinbar ohne Wirkung. Doch jetzt sind Marek und Val auf der Fahrt nach Berlin. „Braunschweig zieht vorbei, die Eels singen that’s the last time I cry, und Berlin kommt viel zu schnell näher.“ Zusammen mit Jennis Freund Theo werden sie den Kampf aufnehmen, den Kampf gegen die Schnellen, gegen sich selbst, gegen die Zeit.
Schnitt.
Kinderbuchautor
Zoran Drvenkar wurde 1967 in Kroatien geboren, zusammen mit den Eltern zog er nach Berlin. Er verbrachte seine Kindheit im typischen Gastarbeitermilieu. Seit 1989 ist er als freier Schriftsteller tätig, der neben Theaterstücken und Gedichtbänden sich einen Namen machte, indem er seine Kindheitserinnerungen in Kinderbüchern festhielt. Einige davon erhielten bedeutende Literaturpreise. Zoran Drvenkar hat mit du bist zu schnell einen atemberaubenden Roman vorgelegt, der abwechselnd aus der Sicht der drei Hauptpersonen die Geschichte von Val und ihren Schnellen erzählt. Dabei entsteht ein fiebriger Sog, dem man sich schwer entziehen kann. Wer einmal gefangen ist in der Geschichte um die Schnellen, wird mit Lesen nicht aufhören, bis er beim überraschenden Ende ist. Zoran Drvenkar geht die Geschichte unzimperlich an: Horror und Gewalt tauchen ebenso überraschend auf, wie sie wieder verschwinden. Man weiss bis zum Schluss nicht, was man glauben soll und wem man vertrauen darf. Er lässt Dinge geschehen, die zu schnell sind, um sie wahrzunehmen; Dinge, die man versteht, aber nicht begreift. Am Schluss ist man verloren. Hoffnungslos lässt Zoran Drvenkar seine Personen im Raum stehen. Sie sind zu schnell, keine Chance.
Schnitt
Götter
„Es muss meine romantische Ader gewesen sein, die mich so denken liess. Das und der Wunsch, dass Val die richtige Frau für mich ist und gerettet werden muss“. Marek liebt Val und Liebe macht blind, er würde alles für sie tun. Theo liebt Jenni, er hätte alles für sie getan. „Wer einmal die Tür zur Psychose aufgestossen hat, hungert danach, sie offen zu halten. Dahinter liegt ein Land der Phantasie, und die Schnellen sind Götter in diesem Land.“
Pascal Moll, Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, Trogen
Maier, Marcella. Das grüne Seidentuch. 2. Aufl. - St. Moritz : Montabella Verlag, 2005.
(ISBN 3-907067-21-5)
Prägung durch Klima und Landschaft
Ein grünes Seidentuch und ein Spinnrad, mit dem besonders feine Wolle gesponnen wird, werden über die Generationen unter den im Buch beschriebenen vier Frauen weitergegeben. Nicht nur die beiden Gegenstände begleiten sie, auch ein einfaches, kärgliches Leben, harte Arbeit, ständige Geldnot und ‚abwesende’ Männer prägen ihr durch Klima und Landschaft der Berggebiete ohnehin erschwertes Dasein.
Aufbruch
Die zweite Generation, Lisabetta, die Tochter von Alma, zieht von Soglio im Bergell nach Sils-Maria ins Engadin, wo der aufblühende Tourismus am Ende des 19. Jahrhunderts neue Existenzmöglichkeiten bietet. So ist es in der dritten Generation bereits möglich, dass Frauen länger zur Schule gehen und einen Beruf erlernen. Maria wird Hebamme und ihre Tochter Nina arbeitet beim Kurverein in St. Moritz. Die Last der Verantwortung für die Familien liegt über alle vier Generationen zum grössten Teil auf den Schultern der Frauen. Sie ziehen die Kinder meist alleine auf und verdienen den Lebensunterhalt noch mit zusätzlichen Nebenarbeiten wie Wollespinnen, Backen, Waschen und Führen einer kleinen Pension. Die Männer fallen als Ernährer grösstenteils aus. Sie sterben entweder früh, oder leben wegen Krankheit oder besonderer Umstände von der Familie getrennt. In der letzten Generation erschweren die beiden Weltkriege und die Krisenjahre zusätzlich das Leben.
Oral History
Bewundernswert ist die Kraft, die das Buch durch seine ‚Heldinnen’ ausstrahlt. Es ist keine geschichtliche Abhandlung im wissenschaftlichen Sinne – es ist ‚oral history’, sagt die Autorin im Geleitwort. Die Familiengeschichte wurde mündlich weitergegeben. Die Einfachheit der erzählenden Sprache macht sie gut lesbar und lässt Leserin und Leser mit den darin beschriebenen Personen mitfühlen und -leiden. Die Schwarzweissfotografien im Buch verstärken diese Eindrücke. Nach Abschluss und Überdenken der Lektüre scheint eine solche Generationengeschichte in vielen Familien möglich. Manche unserer Mütter, Gross- und Urgrossmütter erlebten in den letzten zweihundert Jahren Ähnliches. Die Autorin, Marcella Maier, zitiert im Geleitwort zum Buch Hans Saner, der mit der nachfolgenden Erklärung die Autobiographie von Karl Jaspers eingeleitet hat: ‚Man erfährt nicht das Erlebte, sondern das Erleben des vergegenwärtigten Erlebten, und dies nur als Vorstellung, als Dichtung in einem anderen Sinn.’
Die Autorin
Marcella Maier ist 1920 in St. Moritz geboren, verheiratet und Mutter von vier Töchtern. Sie ist Journalistin, Verfasserin und Mitautorin verschiedener Bücher, die sich vor allem mit Lokalgeschichte, Frauenfragen, sozialen Problemen und dem Tourismus beschäftigen. Sie wurde als eine der ersten Frauen Graubündens in den Grossen Rat gewählt.
Franziska Naef und Iris Schläpfer, Mediothek der Kantonsschule AR, Trogen
Lelord, François. Hectors Reise, oder Die Suche nach dem Glück. 32. Auflage. - München : Piper Verlag, 2004.
(ISBN 3-492-04528-6)
Das Buch “Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“ beginnt wie ein Märchen: „Es war einmal ein ziemlich guter Psychiater... “
Hector, ein junger Psychiater, ist sehr erfolgreich. Er ist beliebt, weil er zuhören kann und echtes Interesse an den Menschen zeigt. Seine Praxis wird überrennt von Leuten, die eigentlich von ihrer Lebens- und Karriereplanung her glücklich sein müssten. Selbstverständlich hat er auch Patienten, denen es schlecht geht, solche die Gründe haben, unglücklich zu sein. Mit der Zeit merkt Hector, dass ihn die Arbeit nicht mehr freut. Er kann seinen Patienten zwar teilweise mit Therapien und Medikamenten helfen, aber er kann sie nicht glücklich machen. Kurz entschlossen beschliesst er, sich auf eine Weltreise zu begeben, um zu begreifen, was die Leute glücklich oder unglücklich macht. In China trifft er auf einen Jugendfreund, der trotz seines beruflichen Erfolgs nicht sehr glücklich ist. Durch die Begegnung mit Ying Li, einer Edelprostituierten, erfährt er, dass es die Gefühle sind, welche eine Liebesbeziehung ausmachen. Eine todkranke Flugpassagierin lehrt ihn, dass das Glück geliebter Menschen gleich bedeutend mit dem eigenen sein kann. Der amerikanische Professor, dem er seine 23 Thesen unterbreitet, ist eine Kapazität auf dem Gebiet der Glücksforschung und trotzdem nicht gefeit gegen die Eifersuchtsgefühle, die ihn unglücklich machen. So hat jeder Mensch sein individuelles Glück oder Unglück. Mit jeder Begegnung lernt Hector eine neue Betrachtensweise des Glücks kennen. Auf seine Fragen nach dem Glück bekommt er Antworten, die so verschieden sind, wie die Leute, denen er sie stellt. Die 23 Antworten listet Hector akribisch in einem Büchlein auf. Die Thesen helfen ihm nach seiner Rückkehr seine Arbeit besser zu verstehen und die Probleme mit seiner Freundin Carla zu lösen. Die beiden heiraten und wenn sie noch nicht gestorben sind ...
Die Geschichte von Hector, der das Glück sucht, führte monatelang die Bestsellerlisten in Frankreich an. Das Buch wird oft verglichen mit „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry. Vom Inhalt her hält dieser Vergleich nicht stand. Lelords Geschichte bleibt an der Oberfläche, ihr fehlt die feine Poesie. In sprachlicher Hinsicht sind die beiden Bücher vergleichbar. Lelords Buch ist wie „Der kleine Prinz“ in einer einfachen, fröhlichen Sprache geschrieben, die manchmal beinahe naiv wirkt. Trotz diesen Abstrichen ist das Buch sehr lesenswert und verhilft dem Leser, der Leserin zu manchen glücklichen Momenten. Die 23 Antworten regen zum Nachdenken über das eigene Glück oder Unglück an und machen Lust, einen eigenen Glückskatalog zu erstellen.
Der Autor
François Lelord, geboren 1953, studierte Medizin und Psychologie. Bis 1996 arbeitete er als Psychologe. Wie sein Titelheld gab er seinen Beruf auf, um zu reisen und zu schreiben. Nach Jahren in Kalifornien lebt er heute wieder in Paris. 2005 ist sein zweites „Hector-Buch“ erschienen: Hector und die Geheimnisse der Liebe.
Resi Bolzern und Ursula Kupferschmidt, Bibliotheksverein Schwellbrunn
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